„Kürzen ist eh viel einfacher ist als Schreiben, denn da muss man ja nur löschen“. Das dachte ich einmal. Wirklich. Vor gut zwei Jahren. Damals, als ich beschlossen habe, Nessa zu überarbeiten und zwischen den Seiten radikal auszumisten. Blauäugig ging ich davon aus, dass ich vielleicht ein, zwei Wochen brauchen würde und dann wäre alles gut. Eine fatale Fehleinschätzung … Schnell musste ich nämlich feststellen, dass ein Buch zu kürzen viele Tücken mit sich bringt. Es reicht nämlich nicht aus, hier und da ein Kapitel zu streichen oder ein paar Sätze zu verschieben. Nein. Es ist fast so, als würde man ein Buch neu schreiben. Nur viel schlimmer weil viel aufwändiger. Wochen und Monate zogen ins Land. Zehn wundgetippte Fingerkuppen und hundert Knoten im Hirn später war ich fertig und mehr als zufrieden mit meiner Arbeit. Ich war sogar richtig positiv überrascht und habe mir selbst auf die Schulter geklopft. Eines habe ich mir damals aber geschworen: Kürzen, das mach ich definitiv nie wieder. Lieber gleich mit Verstand und vorausschauend schreiben, als elendslang nachzuarbeiten.
Das habe ich dann auch getan. Ich konzentrierte mich auf den zweiten und dritten Band, die ja beide bereits halbfertig in der virtuellen Schublade lagen. Ich ging davon aus, dass meine Arbeit mit ein bisschen feinkorrigieren erledigt wäre. Doch dann kam alles anders, denn dann kam das Lektorat und mit ihm das Fazit: Geht nicht. Geht gar nicht. Zumindest nicht so, wie ich die Geschichte ursprünglich geplant hatte, da viel zu viele irritierende und überflüssig seitenfüllende Beschreibungen das Buch zu einem langatmigen Lesefrust machten. Meine Lektorin hat mir damals ein bisschen das sprichwörtliche Kraut ausgeschüttet, doch es war gut so.
Nachdem ich also den ersten Schock überwunden habe – meine Lektorin hat mir durch haufenweise Tipps und Ratschläge über den drohenden Nervenzusammenbruch hinweggeholfen –, machte ich mich erneut ans Werk. Dieses Mal mit einem Packen Erfahrung auf dem Buckel weil "Kürzen, das kenn ich ja" (dass es beim zweiten Mal nicht minder anstrengend ist - auf diese Idee bin ich anfangs noch nicht gekommen). Ich habe herausgestrichen, weggelassen, eliminiert und in den Papierkorb geschmissen, was nur ging. (Die „Mir-blutet-das-Herz-bei-jedem-gelöschten-Wort“-Phase hatte ich schon längst hinter mich gebracht.) Wieder ging das Manuskript zu meiner Lektorin, die ganz stolz auf mich war und die Überarbeitung für sehr gut befunden hat. Ein kleines Problem gab es aber in ihren Augen. Nun war das Manuskript nämlich … zu kurz. ZU KURZ!
Während ich noch überlegte, ob ich lachen oder weinen soll, kam die bahnbrechende Idee: Wir fassen den zweiten und dritten Band zusammen und füllen somit die entstandene Leere. Was jedoch bedeutete, dass ich mich ein weiteres Mal in den Überarbeitungsmodus begeben musste. Aber dieses Mal im großen Stil, denn wenn ich schon in mein eigenes Werk reinpfusche, dann richtig.
Ich bin also in mich gegangen, habe überlegt, wohin die Reise überhaupt gehen soll. Jeden einzelnen Handlungsstrang habe ich aus der Geschichte seziert und vor mir ausgebreitet. Und dann habe ich begonnen, alles neu zu machen; habe fallen gelassen, was eher irre- als zielführend war; manche Figuren in den literarischen Limbus geschickt; Wendungen umgewendet; zusammengefügt, was ursprünglich nicht zusammengehörte. Und ich muss sagen: Es fühlt sich gut an. Richtig gut. Im Endeffekt war es eine der besten Entscheidungen, die Geschichte eine kleine Erfrischungs- und Entschlackungskur angedeihen zu lassen. Weniger Blabla ist unterm Strich tatsächlich mehr Spannung.
Nun wird das Buch zum – hoffentlich!!! – letzten Mal ins Lektorat wandern und ich – hoffentlich!!! – die Rückmeldung erhalten, dass es nun – hoffentlich!!! – endlich passt. Denn ganz ehrlich: Auch, wenn ich in den letzten Jahren zu einem Fan des Kürzens mutiert bin, muss ich es damit nicht unbedingt übertreiben.
In diesem Sinne freue ich mich auf die vierte Lektoratsrunde und hoffe, dass ich im Anschluss daran endlich das zweite und finale Werk meiner zur Dilogie geschrumpften Trilogie veröffentlichen kann. Insofern sich in letzter Sekunde natürlich nicht doch noch was ändert, versteht sich. 😉